02. 11. 2024
Bild: © Toni Suter
Bild: © Toni Suter
CARLO BERGONZI
13. JULI 1924 – 25. JULI 2014
Den Gramophone Lifetime Achievement Award bekam Carlo Bergonzi 2000, laut Wikipedia mit der Begründung: Grösster Verdi-Tenor des Jahrhunderts. Das lässt sich so sagen. Für viele seiner Bewunderer war und ist er nicht nur der Verdi-Spezialist, sondern ein Muster an Stil und Technik des Operngesangs überhaupt Seine intakte sängerische Präsenz bis in die späten Jahre bestätigten die Sicht auf das Phänomen Bergonzi. Gerade auch in Zürich, 1986 in der Tonhalle und bis 2001 im Opernhaus gab es die glückliche Bestätigung in Lieder- und Arienrezitals, die ein enthusiastisches Echo erhielten und verdienten. Eine Hommage, welche die eigene Rückschau mit einem Blick in vorliegende Zeugnisse verbindet – es gibt deren viele, aber wenig Umfassendes, steht unten zum Download bereit. Für den Blick auf Bergonzis Lebensgeschichte diente mir Vittorio Testas Publikation von 2019. Wenn es um dessen Kunst geht, so lässt sich statt auf Beschreibung auf die Tonträger verweisen, die in grosser Zahl verfügbar sind. Wenn wir Bergonzi hören, ist eigentlich alles gesagt.
– Vita e Canto – Carlo Bergonzi zum 100. Geburtstag PDF
– Mein erster Artikel zu Carlo Bergonzi erschien 1987 in der Zürichsee-Zeitung, der letzte 2014 im Landboten. Die ganze Serie hier im PDF
Carlo Bergonz, Carinthischer Sommer Villach, 11. Juli 1983 Bild: © Gabriela Büttiker
Zum Teufel mit der Romantik
Eröffnung der Bregenzer Festspile 17.7. 2024
Was bleibt von der romantischen Opernbühne? Webers Freischütz wird auf der Seebühne zur Moritat in grossartiger Bühnenlandschaft, die dem Teufel das ganze Theater überlässt und die Musik in Richtung Soundtrack tendieren lässt – eindrücklicher Ariengesang inbegriffen. Im Haus wird „Tancredi“ gegeben, die erste Opera Seria Rossinis, die seinen Ruhm begründete und das Melodramma sene Nachfolger inspirierte.
Zum „Freischütz“ PDF
In den Gesangshimmel mit der Romantik
Giocacchino Rossinis „Tancredi“ an den Bregenzer Festspile 18.7. 2024
Die deutsche und die italienische Musik gehen im 19. Jahrhundert verschiedene Wege. Im Wechsel von der Seebühne ins Haus, lässt sich das erahnen. Wie Rossini den kommenden Bellini. Donizetti und Verdi die Türe geöffnet hat, zeigte sich nun im Dramma eroico des jungen Rossini.
Zu „Tancredi“ PDF
Bild: © Karl Forster
Bild: © Anja Köhler
Verteufelter Freischütz
Rückblicke auf Inszenierungen von Carl Maria von Webers Oper
„Der Freischütz“ 16.8. 2024
28 ausverkaufte Vorstellungen, an die 198‘655 Besucher und Besucherinnen der Bregenzer Seebühne – Webers „Freischütz“, der im Operndiskurs von Regie und Intendanz als „schwierig“ gilt, ist für das Publikum nach wie vor ein Magnet. Als Konzertmusik macht die Ouvertüre für die Oper Werbung, Jäger und Brautjungfern haben noch viele im Ohr. Die Seebühne hat nicht nur die Magie der Sommerabende geboten, sondern auch eine fantastische, schauerlich-schöne Bühnenlandschaft, mit der Bregenz die Popularität dieser Romantischen Oper par excellence eindrücklich erneuert hat.
Mit der Bearbeitung, neuen Dialogen und neuen Versen, hat das Stück aber auch neue Vorzeichen erhalten – und der Jubel des Publikums von gestern war gewiss ein anderer als der im Sommer 2024 – zweihundertdrei Jahre nach der Uraufführung. Sonderapplaus gab es für Samiel, gemäss Partitur die obskure Hintergrundfigur, auf der Seebühne als omnipräsenter Teufel in der absoluten Pool-Position der Vorstellung. Auf seinem Weg an die Macht, an der nun keine Opposition mehr rüttelt, ist er dank dem Regisseur Philipp Stölzl am Ziel.
Was sich deshalb aufdrängt, ist ein Rückblick auf seine Karriere, die gemäss Libretto keineswegs erfolgversprechend aussah. Aber in den Inszenierungen, über die ich zu schreiben die Gelegenheit hatte, hat sich sein Sieg (leider) doch mehr oder weniger abgezeichnet.
„Der Freischütz – Kein Weg aus der Wolfsschlucht? PDF
Mozart und das Weltgeschehen
„Idomeneo“ im Luzerner Theater 25. 8. 2024
Im Mozartjahr 2006 sorgte eine „Idomeneo“-Inszenierung in Hamburg für einen Skandal. Zusammen mit Neptun mussten gleich alle Religionsstifter abdanken, die noch in Amt und Würde sind – das ging natürlich weiter, als für Katholiken und Freimaurer Mozart denkbar war und liess insbesondere islamistische Reaktionen befürchten (siehe Beitrag Mozarts „Götterdämmerung“). Anika Rutkofsky geht genauer auf die grundsätzliche Perspektive ein. Sie verankert die Inszenierung klug in der Zeit der Komposition wenige Jahre vor dem Ballsaalschwur in Versaille und der französischen Revolution von 1789.
Das berühmte Gemälde der Versammlung, Flyer der Deklaration der Menschenrechte werden von Ilia und Idamante verteilt. Sie sind das Paar der besseren Zukunft, das Mozart in den folgenden Opern leiden und gewinnen lassen wird, Konstanze und Belmonte, Susanna und Figaro, Donna Anna und Don Ottavaio und zumal Pamina und Tamino. Wogegen sie mit ihrer humanistischen Kraft in der Realität von heute anzutreten hätten, deutet die Inszenierung kühn mit dem Gegenwartskostüm an, in dem im Laufe der Handlung ein Teil des Chors , Arbace, Elektra und Idomeneo zu agieren beginnen.
So ernst das Regiekonzept den Dramatiker mit seiner Utopie der Liebe nimmt, die auch in Mozarts Leben eine Rolle spielte (siehe Mozart, Konstanze und Constanze), so hervorragend geht das musikalische Team darin auf, darstellerisch intensiv und gesanglich bis hin zu einer sensationellen Solenn’ Lavanant Linke als Idamante. Zurecht mitgefeiert wurde das Luzerner Sinfonieorchester unter der Leitung von Jonathan Bloxham. Sein Dirigat lässt mit den ersten Takten aufhorchen, nimmt Chor und Solisten im sinfonische Geschehen mit und lässt die Musik bewegend sprechen, nicht historisierend, sondern in ihrer zeitlosen Essenz emotional und klanglich blühend.
Bild: © Ingo Hoehn
Joseph Haydns „Lo Speziale“ am Brugg Festival 1. 9. 2024
Das Brugg Festival ist noch jung und gehört zu den kleinen im Land. Ein Cinquecento reicht für die vergnügliche Produktion von Joseph Haydns dreiaktiger Opera buffa „Lo Speziale“. Der Topolino ist aber schon weit gereist und von weither kommen auch die renommieren Gäste für das einwöchige Programm, das der Geiger Sebastian Bohren künstlerisch leitet.
zur Aufführung der Haydn-Oper PDF
Bild: © Herbert Büttiker
Hörglück und Irritation
Saisoneröffnung des Musikkollegiums Winterthur 4. 9. 2024
Der 25-jährige Pianist Mao Fujita spielt Robert Schumanns Klavierkonzert, die gefragte britische Komponistin Hannah Kendall schreibt Klangereignisse, die mit Robert Schumanns verstörter Künstlerseele zu tun haben – und Roberto Gonzalez-Monjas dirigiert „seinen“ Mozart, dessen letzte Sinfonien er als Gipfel der Sinfonik einen zentralen Platz in seiner Arbeit mit dem Musikkollegium einräumt – ein kontrast- und facettenreicher Auftakt in die Saison 2024/25.
Bericht PDF
Bilder: © Herbert Büttiker
Mozarts „Jupiter“-Sinfonie
Mit dem Musikkollegium Winterthur beschäftgit sich Roberto Gonzalez-Monjas intensiv mit Mozarts grossen drei letzten Sinfonien. Die C-Dur-Sinfonie erklang gleich zur Eröffnung der Saison, und ihr widmete er einen erhellenden Abend mit Erläuterungen und Hörbeispielen, für die ihm das Orchester mit präzisem Einsatz zur Verfügung stand. Anschliessen nochmals die Sinfonie als Ganzes. Was das Musikkollegium damit programmatisch, aber mit der vielfachen Präsenz von Mozart in den Programmen überhaupt bietet, ist eine Feier Mozarts. Dafür gibt es und braucht es keinen speziellen Anlass, aber sie erinnerte mich an meinen Beitrag zum Jubiläumsjahr 2006, den ich nun dem digitalen Archiv einverleibt habe.
Hauskonzert vom 13. 9. Bericht PDF
Über allem die Liebe PDF
„Die Tiefen des Daseins sind unermesslich“
Saisoneröffnung mit „Ariadne auf Naxos“ im Opernhaus Zürich 22. 9. 2024
Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss liefern mit dem raffinierten Spiel um die Verschränkung von Opera buffa und Opera seria einen hintergründigen Blick in die Gefühlswelt von Liebe, Leben und Tod, Realität und Ideal – das Opernhaus spürt dem auf spannende Weise und musikalisch berührend nach – ein starker Auftakt zur Saison.
Besprechung im PDF
Aus dem Archiv:
„Ariadne“ in der Kronenhalle – Opernhaus Zürich 2006 PDF
Bild: © Monika Rittershaus
Wunderliche Zauberei – magische Musik
Saisoneröffnung mit „Die Liebe zu den drei Orangen“ im Theater St. Gallen 24. 9. 2024
Man könnte sich wundern, wie Sergej Prokofjew auf das krause Zauberstück von Carlo Gozzi verfiel, aber die Musik lässt die Frage Takt für Takt vergessen, und das Theater St. Gallen macht aus der Liebe zu drei Orangen einen Abend der mit Ironie gewürzten Liebe zum Operntheater.
Besprechung im PDF
Bild: © Edyta Dufaj
Spektakulär auf dem Konzertpodium
Theater Winterthur eröffne die Saison mit Beethovens „Fidelio“ 27. 9. 2024
Der musikalische Reichtum seiner Opernmusik rückt auch den grossen Symphoniker Beethoven ins hellste Licht – das kommt im Stadthaus Winterthur, wo die „Fidelio“ szenisch anvisiert wird, im Finale aber ins Konzert mündet, besonders deutlich zur Geltung: Das Musikkollegium auf dem Podium, der Dirigent im Mittelpunkt, davor die ganze Oper – eben doch gespielt (!) von einem grossartigen Team aus Heidelberg.
Besprechung im PDF
Kostüm und Gegenwart
Betrachtungen zu Kirill Serebrennikows «Don Carlo» in der Wiener Staatsoper und im Vorfeld der Premiere von Alfred Schnittkes «Leben mit einem Idioten» im Opernhaus Zürich, wo die Frage nach möglichen Zensurvorgängen im Raum steht.
Bild: © Frol Podlesnyi
Disco und Marienvesper
„L‘Orfeo“ von Claudio Monteverdi im Theater Winterthur 23. 10. 2024
Die Inszenierung im Theater Winterthur (Regie: Thomas Guglielmetti / Musikalische Leitung: Wolfgang Katschner) folgt dem Libretto und lässt Orfeo die Gnade des Himmels erfahren. Das wäre hier dann die ewige Disco, bekäme Monteverdi nicht noch ein letztes Wort mit seiner Marienvesper. Der spannende Doppelschluss ist eine Alternative zum Zürcher „Orfeo“ vom vergangenen Mai (Wiederaufnahme Juni 2025), der mit einem Knall, dem Selbstmord Orfeos an Euridices Sarg zu Ende ging.
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Aus dem Archiv: Monteverdis „Orfeo“ im Opernhaus Zürich PDF
Bild: © Herbert Büttiker
Bild: © Peter Knup
Kunstvoll überzuckert
„Hänsel und Gretel“ im Theater St. Gaallen 2. 11. 2024
Grimms Märchen „Hänsel und Gretel“ hat zum Ausgangspunkt die Armut des Holzfällers ud allerdings erst seit der 4. Auflage von 1840 auch die unbarmherzige Stiefmutter zum Ausgangspunkt. Engelbert Humperdincks lässt wieder die Mutter agieren, allerdings schickt sie die Kinder zum Erdbeeren pflücken, und dass sie sich verirren, ist nur bedingt ihre Schuld. Sie hätte die Gefahr bedenken müssen. Den Eltern kommt dann Engelberts grosses Orchester zu Hilfe, das vierzehn Engel aufbietet, um die Kinder zu schützen… Die Oper wird so zum alles in allem freundlichen Märchenbuch, in dem das Böse im Zauber der Musik gebannt wird, So ist sie nun bildschön und mit popig-magischem Anstrich auch im Theater St. Galen zu erleben. und Gl
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Bild: © Ludwig Olah
Eine neue Fassung
„Leben mit einem Idioten“ im Opernhaus Zürich 3. 11. 2024
Gut, der Untergang der Sowjetunion ist eine Weile her, und der Regisseurs Kirill Serebrennikov und der Autor des Librettos, Viktor Jerofejew, teilen die Ansicht, „Leben mit einem Idioten“ müsse oder könne heute anders gelesen werden als damals, als der Idiot mit Lenin assoziiert wurde. Sie präsentieren eine neue Fassung. Uns gegenwärtig beschäftigt allerdings gerade kein Idiot mehr als jener, der die Tradition der sowjetischen Diktatur erneuert und Unheil anrichtet. Im Opernhaus Zürich handelt es sich jetzt im grossen Aufwand einer spektakulären Bühne um die intimen Bettgeschichten eines Paars, und darüber darf man sich auch wundern.
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Aus dem Archiv: „Leben mit einem Idioten“ – Moskauer Kammeroper in Winterthur, 2002 PDF
Ein Bravo für den Chor
Mozarts „Requiem“ im Musikkollegium 15. 11. 2024
Viele Beteiligte, nicht zuletzt The Zurich Chamber Singers, für eine grosse Interpretation von Mozarts „Requiem. Sie machte wieder einmal klar: Die romanhaften Spekulationen um die Entstehung von Mozarts «Requiem» und die Aura des Unvollendeten braucht das Werk nicht: Diese Musik ist von einer erschütternden Eindringlichkeit, Dramatik und Schönheit, die für sich spricht.
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Bild: Monika Rittershaus
Bild: © Herbert Büttiker
Der Abenteuerroman ist aus Papier
„In 80 Tagen um die Welt“ im Opernhaus Zürich 17. 11. 2024
Gelesen hat den Roman von Jules Verne eher noch die ältere Generation. Sie kann jetzt im Opernhaus mit den Kindern erleben, wie sich die Reise «In 80 Tagen um die Welt» heute lesen – beziehungsweise sehen und hören lässt: als richtige «Oper» und mit dem Blick von heute auf die Welt des British Empire. Jonathan Dove hat für das Opernhaus Zürich eine farbige und spannende Partitur geschrieben, Peter Lund das dramaturgisch raffinierte und pointierte Libretto geschrieben – zu erleben ist ein Werk, das die Gattung „Familienoper“ im besten Sinn bedient.
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Bild: © Toni Suter
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TANZ MIT DER ZENSUR
Giuseppe Verdis „Un ballo in maschera“
Aus aktuellem Anlass – die Neuinszenierung im Opernhaus Zürich – sei hier auf meine eingehende Darstellung der komplizierten und langwierigen Geschichte der Uraufführung hingewiesen, für die Verdi zu einem schier endloser Tanz mit der Zensur in Neapel und Rom gebeten wurde. Die vorliegende Arbeit basiert zur Hauptsache auf der Publikation der „Carteggi Verdi-Somma“, die eine umfangreiche Dokumentation präsentiert: den Briefwechsel mit dem Librettisten Antonio Somma und mit den Akteuren rund um die Uraufführung der Oper sowie die diversen Varianten des Librettos, das dem französischen Original und historischen Hintergrund folgend zunächst Schweden zum Schauplatz hatte. Eine von der Zensurbehörde eigenhändig vorgelegte, Verdi beleidigende Fassung sollte die Handlung um den Mord am schwedischen König Gustav III., die Verdi schliesslich aus schlüssigen Motiven in Boston ansiedelte, auch im Florenz spielen lassen…