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26. 11. 2023
(K)eine Frage des Geschlechts
Luisa Spletts Konzertzyklus „Mut“ – Duo-Abend mit Faabio di Càsola 16. 4. 2023
Fazit des Konzerts, das die Pianistin Luisa Splett und der Klarinettist Fabio di Càsola in Winterthur boten, ist zum einen: Musik ist geschlechtsneutral. Zum anderen: Mit Werken von wenig, zu wenig bekannten Komponistinnen lässt sich ein attraktiver Duo-Abend gestalten, und dies auch unter den erschwerten Umständen, dass die Besetzung mit Klarinette und Klavier nicht eben die gängigste ist. Das Programm, das von virtuosen Herausforderungen wie berührenden Momenten geprägt war, führte deshalb auch zum Schluss, dass Musik zwar geschlechtsneutral oder sagen wir lieber allgemein menschlich sein mag, in der Muskgeschichte und der musikalischen Sozialgeschichte der Faktor Mann oder Frau aber eine grosse Rolle spielt(e). Nicht zu Gunsten der Komponistinnen.
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Bild: © Herbert Büttiker
Die Tonhalle als junges Podium
Noa Wildschut und Patrick Hahn mit Mozart und Bruckner 26. 4. 2023
Die beiden Protagonisten im Tonhalle-Konzert gehören einer neuen Generation im grossen Karussell der Klassikwelt an – beide in den grossen Sälen schon zu Hause, Noa Wildschut mit der Empfehlung von Anne-Sofie Mutter, der Dirigent Patrick Hahn, arriviert in Wuppertal, mit dem Ruf als jüngster GMD im deutschsprachigen Raum. Für das Mozart-Violinkonzert Nr. 5 spannten sie zusammen und lieessen es „alla Turca“ ordentlich krachen – mit gutem Blickkontakt im Spiel und beim Applaus (Bild).
Vorgesehen für einen Bruckner-Abend war Ehrenpräsident David Zinman. Seine krankheitsbedingte Absage nutzte die Tonhalle für das Debüt des Maestros aus Österreich, der sich auch als Kabarettist in den Fussstapfen von Georg Kreisler einen Namen gemacht hat. Von Zinmans Vorhaben mit der Fünften, wechselte sein Programm zu Bruckners Vierten und damit zur populären „Romantischen“, die grosszügig, klangmächtig und mit grossem Erfolg dargeboten wurde.
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Bild: © Herbert Büttiker
Theatralik aus der Musik
Verdis „Messa da Requiem“ im Theater St. Gallen 6. 5. 2023
Den Tag des jüngsten Gerichts sieht der polnischen Regisseur als Situation, «in der man sein eigenes Leben nochmals von aussen sehen kann». Er imaginiert das «Fegefeuer», eine Zwischenwelt, und er findet in der jüngeren Geschichte für die vier Solisten Menschen, die angesichts des Todes mit einer besonders grossen Bürde unterwegs sind. In der Konkretisierung der Solopartien als Rollen geht die Inszenierung somit weit richtung Oper, aber sie bleibt auch abstrakt genug, um den oratorischen Fluss der Musik nicht zu gefährden. Dafür erhalten die Interpreten, Solisten und Choristen, ein spezifisches Potenzial zur Identifikation, das auch der Musik als Ausdrucksenergie zufliesst. So ist die St. Galler Inszenierung eine musikalisch bezwingende Aufführung im Geist des Verdi-Theaters.
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Aus dem Archiv: „Zwischen Tanz und Oper“ – Christian Spucks Inszenierung im Opernhaus Zürich (2016) PDF
Bild: © Edyta Dufaj
Frauen, Liebe, Leben, Kunst
Liederabend mit Sonja Leutwyler und Luisa Splett in Winterthur Seen 6. 5. 2023
Als Podium für vergessene oder selten aufgeführte Komponistinnen, für komponierende Frauen überhaupt versteht die Pianistin Luisa Splett ihre Konzertreihe „Mut!“. Was der spannende Liederabnd zeigte: Die Geschlechterfrage ist nicht eine des Könnens, sondern des künstlerischen Bedürfnisses und Wollens – der schreibenden wie der interperetierenden Frauen, und insofern war das Rezital ein imponierender Abend der Frauenkunst.
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Luisa Spelett und ihre Konzertreihe „Mut!“ PDF
Mit Humor und Herzschlag
Das Internationale Opernstudio mit „Serse“ im Theater Winterthur 10. 5. 2023
Wenn das Internationale Opernstudio in Zusammenarbeit mit dem Musikkollegium im Theater Winterthur seine Produktion präsentiert, erlebt man jeweils junges Operntheater und reife Leistungen. Punkige Figuren statt persischen Orientalismus gibt es diesmal für Georg Friedrich Händels Xerxes-Oper, die seriöses Affekttheater mit Komik mischt. Auf erfrischende Weise setzt das Ensemble unte der Leitung der Regisseurin Nina Russi und des Dirigenten Markellos Chryssicos die umfangreiche Partitur fast ungekürzt unterhaltsam in Szene.
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Bild: © Herwig Prammer
Mit Humor und Herzschlag
George Benjamins „Lessons in Love and Violence“ im Opernhaus Zürich 21. 5. 2023
In London 2018 erstmals gespielt, macht die dritte Oper von George Benjamin in der Opernwelt die Runde. Das Opernhaus Zürich gibt nun aber erstmals nicht die Insznierung der Uraufführung, sondern eine Neuinszenierung. Nach der Realistik unter der Regie von Katie Mitchell beschwört das Zürcher Regieteam um Evgeny Titov die Phantastik des Bühnenraums. Aufgeführt wird ein böses Königsmärchen samt schaurigem Auftritt des Todes.Die Durchsicht auf die aktuellen Genderthematik, die im Stück angelegt ist, bleibt dabei farbig klar und körperhaft präsent, aber auch aufgehoben in Poesie und im Fluidum der Musik.
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Bild: © Herwig Prammer
Nordisch glühend
Lisa Batiashvili im Konzert des Musikkollegiums Winterthur 24. 5. 2023
Wer Lisa Batiashvili am Mittwoch mit dem Violinkonzert von Jean Sibelius und danach Roberto Gonzalez-Monjas Dirigat der 2. Sinfonie von Johannes Brahms erlebt hat, kann heute von einem Höhenflug des Musikkollegiums im Stadthaus Winterthur reden, Standard-Repertoire gewiss, aber doch mehr noch, elektrisierende Präsenz grossartiger Werke, die ja von sich aus immer wieder neu gehört werden wollen. Nordische Schwere mag das Klischee für den Abend im Zeichen des Norddeutschen Brahms und des Finnen Sibelius sein und Schwerarbeit für die Interpreten bedeuten die gewichtigen und zerklüfteten Partituren gewiss auch. Aber zu bewundern war das Gegenteil, die überaus souveräne, über alle Klippen erhabene Virtuosität der Geigerin, deren ausdrucksstarkes Spiel kristalline Klarheit und melodischen Schmelz verbindet. Dass das Sibelius-Konzert «ihr» Konzert sei, wie Lisa Batishvili sagt, ist nicht bloss Behauptung. Zu bewundern war sodann bei Brahms, wie frei und spontan präsent Gonzalez dem Orchester Raum für solistisches und registergebundenes Eigenleben gab und wie energisch präzis er es auf die Dramatik einschwor, die er mit federndem Elan befeuerte. Man muss das erlebt haben, und man kann es, eine zweite Aufführung im Stadthaus Winterthur gibt es heute Abend. (hb)
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Bild: © Herbert Büttiker
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Elan zum Saisonfinale
12. Abonnementskonzert des Musikkollegiums Winterthur 14. Juni. 2023
Die Amerikanerin Caroline Shaw hatte gut lachen, als sie zum Applaus die Bühne betrat: Ihre Musik hatte mit dem Musikkollegium, mit dem Pianisten Kit Armstrong und dem inspirierenden Chefdirigenten Roberto Gonzalez-Monjas hervorragende Anwälte, und sie fand beim Publikum Gehör – dies in der übemächtigen Nachbarschaft von Liszt und Brahms.
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Bild: © Herbert Büttiker
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Mahlers „Tragische“
Michel Tilson Thoma dirigiert das Tonhalle-Orchester Zürich 3. Juni. 2023
Eine Aufführung der 6. Sinfonie von bewegender Konsequenz in den zartesten und wütdendsten Momenten. Gerade noch zwei Stunden bis zum Beginn der Wiederholung des Konzerts heute Sonntag nachmittag.
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Elan zum Saisonfinale
Giacomo Puccinis „Turandot“ im Opernhaus Zürich 19. Juni. 2023
Der Geschlechterkampf zwischen der kühlen Prinzessin und dem unwiderstehlichen Prinzen ist auch ein Duell der Stimmen. Sonda Radvanovsky und Piotr Becazala tragen aus auf hohem Niveau aus, und die Rätsel-Szene wird auch darstellerisch zum Höhepunkt. Die Schärfe des Rasiermessers kommt aber nicht hier ins Spiel, sondern in jener Passage, wo das Werkzeug des Scharfrichters geschliffen wird – die Inszenierung von Sebastian Baumgarten sucht Effekt und Aussage in einer eigenwilligen Bühnensprache – das Publikum reagierte frenetisch auf die sängerischen Leistungen und verhalten auf die surrealistische Show zu Puccinis barbarischem Märchen..
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Bild: © Monika Rittershaus
Grosse Bühne, grosse Figuren
Umberto Giordanos „Andrea Chénier auf dem St. Galler Klosterhof 23./24. Juni 2023
Die Musik hat pathetische Wucht, die Revolutionsthematik ruft nach Massenbewegung, die grossen Emotionen rufen nach grossen Stimmen – „Andrea Chénier“ ist auf der grossen Bühne zuhause und sie gehört zum Repertoire der berühmten Festivals unter freiem Himmel. Dass sie dahin gehört, zeigen jetzt auch die 18. St. Galler Festspiele. Und sie zeigen auch, wie es gelingt, auf der grossen Bühne nicht nur grosse Stimmen zu präsentieren, sondern die Figuren auch optisch gross erscheinen zu lassen.
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Bild: © Xiomena Bender
Prinz folgt auf Prinz
Martin Muehle als Calaf in der neuen „Turandot“ der Opernhauses Zürich 27. Juni 2023
Die Inszenierung lässt am Ende offen, wie es mit Prinz und Prinzessin nach dem Tod der Liu weitergeht, aber die Aufführung am Mittwoch brachte im Jubel des Publikums Calaf und Turandot zusammen. Martin Muehle, Einspringer für den erkrankten Piotr Beczala, und Sondra Radvanovsky haben sich im vokalen Duell sängerisch gefunden – ein grosser Abend.
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Bild: © Herbert Büttiker
Die Frage des Stils
Giuseppe Verdis „Ernani“ im Bregenzer Festspielhaus 19. Juli 2023
Verdis Auseinandersetzungen mit der Zensur machen deutlich, dass ihm die Verortung der Opernhandlungen in der realen Historie für seine Ästhetik offenbar wichtig war. Die Behörden in Venedig akzeptierten eher überraschend das Libretto des „Ernani“, obwohl es eine Rebellion gegen den spanischen König prominent in Szene setzte. Aktuelle Bühnenkunst fühlt sich an die originale Situierung der Handlung nicht mehr gebunden – mit Gewinn oder Verlust, je nachdem. Lotte de Beers Inszenierung des im Jahre 1519 in Spanien und in der Kaisergruft zu Aachen spielenden „Ernani“ versetzt die Handlung in die Zeitlosigkeit eines Märchens und auf eine Kugeloberfläche, die die Welt schlechthin bedeutet. Was mit Verdis Musik dabei geschieht, ist so fragwürdig, wie die szenische Handschrift dezidiert ist.
Die Interpretation geht dabei von Voraussetzungen aus, die sich bei einem eingehenden Blick auf die Oper als falsch erweisen. Das möchte ein umfangreicherer Epilog zur Premierenkritik genauer beleuchten: „Don Carlo – ein königlicher Popanz?“ hier im PDF
Premierenbericht zu „Ernani“ im PDF
Premierenbericht „Madama Butterfly“ von 2022 im PDF
Bild: © Karl Forster
Bei der Arbeit
Paavo Järvi probt mit dem Tonhalle Orchester Zürich 7. Juni 2023
Am kommenden Freitag, 11. August eröffnet Paavo Järvi das Lucerne Festival mit Gustav Mahlers 3. Sinfonie. Er dirigiert das Lucerne Festival Orchestra als Einspringer für Riccardo Chailly. Einen Mahler-Zyklus plant er mit „seinem“ Orchester in Zürich. Seine dezidierte Affinität zum grossen Sinfoniker war unter anderem am Konzert zur Wiedereröffnung der Tonhalle im September 2021 zu erleben. Zur Aufführung gelangte ebenfalls die 3. Sinfonie.
Die Fotoserie entstand an einer Probe mit dem Tonhalle-Orchester und dem Solisten Frank Peter Zimmermann.
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Bilderchronik Tonhalle-Orchester hier
Bild: © Herbert Büttiker
Zurück zum reinen Gold?
Eröffnung des Lucerne Festivals mit Gustav Mahlers 3. Sinfonie 11. August 2023
Mit dem Raub des Goldes, das im Rhein einfach so vor sich hin glänzte – von den Rheintöchtern gehütet, die für sich selber glänzten –, lässt Richard Wagner das Übel beginnen. Gold als Ersatz für die erotische Zurückweisung ist das Motiv Alberichs, aber fatale Lieblosigkeit leistet sich auch Gott Wotan, der den Erbauern seiner Burg Freia, seine Tochter, zum Lohn offeriert. Den Schlamassel, in den diese Ausgangslage führt, behandelt Wagner, halb ironisch, halb raunend, im ersten Teil seiner Tetralogie. Am Ende schnappen sich die Rheintöchter das zum mächtigen Ring geschmiedete Gold wieder, es liegt wieder im Rhein, „traulich und treu“.
Dass der „Der Ring des Nibelungen“, so wie ihn Richard Wagner im Bayreuther Festspielhaus 1876 taufte, das reinste Gold war, lässt sich nicht behaupten. Dagegen sprechen auch Äusserungen von Wagner selber. Die Inszenierung führte ihn ironisch zur Idee, nach dem unsichtbaren Orchester auch das unsichtbare Theater einzuführen. Aber lässt sich nicht immerhin ein differenziertes Bild davon machen, wie er seine Musik hören wollte? Ein grosses Forschungsprojekt hat die Voraussetzung für eine Aufführung des „Rings“ im Sinne der historisch informierten Aufführungspraxis geschaffen. Am Lucerne Festival gastierten Concerto Köln und das Dresdner Festspielorchester unter der Leitung von Kent Nagano und präsentierten nun mit grossem Erfolg auch in der Schweiz mit dem „Rheingold“ den ersten Teil ihrer Suche nach dem reinen Gold aus Bayreuths Tiefen.
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Bild: © Priska Ketterer
Bild: © Peter Fischli
Weiter im Höhenflug
Eröffnung des Lucerne Festivals mit Gustav Mahlers 3. Sinfonie 11. August 2023
Am Ende klopft die Musik an die Himmelspforten. Mit bewundernswertem Elan führte Paavo Järvi den grossen Klangkörper des Lucerne Festival Orchestra, der Luzerner Kantorei, der Damen des Chors des Bayerischen Rundfunks und der Solistin Wiebke Lehmkuhl durch das unerhörte Werk, das gern mit kosmologischen Vorstellungen in Verbindung gebracht wird, wie sie Mahler selbst ins Spiel brachte. Die sechs Sätze und hundert Minuten Musik sind aber eben auch eine grandiose Ausbreitung und Überhöhung des menschlichen Musikwesens zwischen sublimen Höhen und marktschreierischer Derbheit, zwischen graziösem Tanz und schwerem Marschschritt ist – so wie er vom Lucerne Festival, dessen Höhenflug im Jahr seines zwanzigjährigen Bestehens weiter geht.
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Poème de l‘extase
Das Oslo Philharmonic am Lucerne Festivals 25. August 2023
Zum ersten Mal gastierte das Philharmonische Orchester Oslo am Lucerne Festival. Sein Chef ist der 27-jährige Finne Klaus Märkelä, der schon ganz oben mitmischt im Kreis der Dirigentenstars. Aber nicht nur sein effektvolles Dirigat rechtfertigt den Ausnahmetitel Titel „Ekstase im Konzertsaal“. Mit auf dem Podium war auch mit traumwandlerischer Virtuosität die Pianistin Juya Wang. Und das Programm hatte es ebenfalls in sich – mit Tschaikowskys Orchesterfantasie „Der Sturm“, mit den beiden Klaiverkonzerten von Maurice Ravel und zuletzt mit dem „Poème de l‘extase“ von Aleksandr Skrjabin.
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Bild: © Manuela Jansi
Operettenlust im Gemeindesaal
Die Operettenbühne Hombrechtikon mit „Orpheus in der Unterwelt“ 2. September 2023
Die Aufführung hat Witz und Schmiss, Orchester, Ensemble und und Chor sind nach Kräften in Bestform. Jacques Offenbachs „Unterwelt“ ist ansatzweise ins Hollywood der Gegenwart versetzt, doch verleugnet Operettenbühne auch nicht die eigene grosse Tradition und holt die Kostüme aus dem Fundus – die Götter tummeln sich im wilden Klamottenmix in der Unterwelt.
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Aus dem Archiv
Musik, die Tote erwecken kann
150 Jahre Operette LB 21. 10. 2008
Bild: © Thomas Entzeroth
Zwei und vierzig Künstlerinnen
Luisa Splett und Daniela Janjic mit „Mut!“ in Winterthur 3. September 2023
Der dritte Abend der von der Pianistin Luisa Splett organisierten und gestalteten Konzertreihe war, wie sie selber vermerkt „eine assoziative Anordnung weiblichen Wirkens in Musik, Text und Bild“. Der multimediale Abend war geprägt vom interpretatorischen Können, berührender Musik und eindrücklicher Untermalung der musikalischen Werke durch biografische Hinweise, Zitate, literarische Spiegelungen und Bilder.
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Zur Konzertreihe „Mut!“ siehe auch PDF
Bild: © Herbert Büttiker
Mozarts Revolution
Saisoneröffnung des Musikkollegium 6. September 2023
Mit „Sein“ hat das Musikkollegium die Saison 2023/24 überschrieben. Als Schlüsselwerk stand Mozarts g-Moll-Sinfonie auf dem Programm des esten Abonnementskonzerts. Mit Jan Lisiecki kam ein phänomenaler Pianist ins Spiel und mit der Komponistin Diana Syrse bereicherte eine Uraufführung die von Roberto Gonzalez-Monjas energievoll geleitete Saisoneröffnung – ein festlicher Anlass, zu dem auch der traditionelle rote Teppich gehört.
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aus dem Archiv:
Mozart – die letzten Sinfonien – aus „Über allem die Liebe – 52 Mal Mozart“ PDF
Bild: © Herbert Büttiker
Die grosse Oper neben „Lohengrin“
Schweizer Erstaufführung von Joachim Raffs „Samson“ im Theater Bern
8. September 2023
Es gibt Wellen, die sich hochschaukeln und verebben, es gibt „Ausgrabungen“, die als reizvolle Facetten das Musikleben befruchten, und hier hat man es mit der Entdeckung eines Schaffens zu tun, das sich als Eigengewicht Bedeutung verschafft: das gilt für Joachim Raffs umfangreiches Schaffen und speziell für seinen „Samson“, der in den Jahren nach der Uraufführung des „Lohengrin“ in Weimar an eben diesem Ort konzipiert wurde.
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Bild: © Joachim-Raff-Archiv
Saisoneröffnung in der Tonhalle
Cellist Kian Soltani als Fokus-Künstler und Bruckners Neunte 13. September 2023
Mit Schumanns nach innen gewendetem Schwung und Bruckners Transzendenz der letzten Sinfonie begrüsste das Tonhalle-Orchester zur neuen Saison. Das Programm bot mit den zwei Hauptwerken der Romantik keinen lockeren Auftakt, aber grossartige Musik.
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Bild: © Gaetan Bally
Liebe als Backflash
Giacomo Puccinis „la rondine“ im Opernhaus Zürich 17. September 2023
Für Opernfans ist Puccinis selten aufgeführt lyrische Komödie „La rondine“ keine Unbekannte, aber sie erscheint doch eher selten auf den Spielplänen und für die Schweiz handelt es sich bei der Inszenierung von Christof Loy und Ermonela Jaho und Benjamin Bernheim als Protagonisten im Opernhaus um die Schweizer Erstaufführung. Dabei handelt es sich weder um ein Frühwerk, als Puccini die Welterfolge noch vor sich hatte, noch um einfach ein schwächeres Schwesterstück der berühmten Titel. Die lyrische Komödie, eine Geschichte der Nostalgie und Verklärung der grossen Liebe, entpuppt sich als ein Werk von eigener Temperatur, die der Dirigent Marco Armiliato im Gefühl hat. Sie verdient den szenischen und musikalischen Aufwand, mit dem das Opernhaus das Publikum zur Saisoneröffnung begeistert.
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Bild: © Monika Rittershaus
Biografisches Solistenquartett
Theater St. Gallen mit Verdis “Requiem“ in Winterthur 22. September 2023
Mit seiner spartenübergreifenden Produktion von Giuseppe Verdis „Messa da Requiem“ eröffnet das Theater St. Gallen heute zusammen mit dem Musikkollegium und dem Theaterchor Winterthur die Saison 2023/24 im Theater Winterthur. Den Tag des jüngsten Gerichts sieht der polnischen Regisseur Krystian Lada als Situation, «in der man sein eigenes Leben nochmals von aussen sehen kann». Er findet in der jüngeren Geschichte für die vier Solisten Menschen, die angesichts ihres Todes mit einer besonders grossen Bürde unterwegs sind. In der Konkretisierung der Solopartien als Rollen geht die Inszenierung somit weit richtung Oper, aber sie bleibt auch abstrakt, skulptural und choreografisch genug, um den oratorischen Fluss der Musik nicht zu gefährden. Dafür erhalten die Interpreten, Solisten und Choristen, ein spezifisches Potenzial zur Identifikation, das auch der Musik als Ausdrucksenergie zufliesst. So ist die St. Galler Inszenierung eine musikalisch bezwingende Aufführung im Geist des Verdi-Theaters.
Änderungen gegenüber der Premiere in St. Gallen gab es in der Besetzung: Als grosse und berührende junge Verdi-Stimme zeichnete sch die Sopranistin Libby Sokolowski aus. Rolf Romei übernahm ganz kurzfristig die Tenor-Partie und lieh dem stummen Kollegen auf der Bühne die Stimme. Das Musikkollegium Winterthur und ab dem Offertorio auch der Chor waren hinter einem Vorhang auf der Bühne rückten musizierten gewissermassen in einem eigenen, gegenüber den über dem Orchestergraben agierenden Solistenquartett etwas entfernt wirkenden Raum, für die Balance nicht immer optimal. Die expressive Kraft des Vokalen, das die Solisten eindrücklich zu realen Menschen macht, hatte dafür leichteres Spiel.
Bericht der Premiere im Theater St. Galler vom 6. Mai 2023 hier im PDF
Bild: © Edyta Dufaj
Bild: © Edyta Dufaj
Neueröffnung im Zeichen der Diversität
Tobias Pickers Oper „Lili Elbe“ im Theater St. Gallen 22. Oktober 2023
„Umbau“ nannte sich das Provisorium des Theaters St. Gallen neben dem Stammhaus. Dieses ist am Wochenende nach Renovation und Erweiterung wiedereröffnet worden. Gezeigt hat sich mit der Uraufführung der Transgender-Oper „Lili Elbe“ des US-amerikanischen Komponisten Tobias Picker auch der Geist des Umbaus. Dort sang Papageno „Ein Männchen oder Weibchen“ und die Oper von Joseph Bologne Chevalier de Saint-Georges war fast vollständig einem People-of-Color-Team anvertraut. Das Kunstwort «Herstory» stand 2021/22 über der ersten Saison des neuen St. Galler Operndirektors Jan Henric Bogen. Zur europäischen Erstaufführung Oper «Breaking the Waves» der Komponistin Missy Mazzoli. Weitere Aspekte der programmatischen Operndramaturgie liessen sich aufzählen.
„Identitäten“ ist das Stichwort der neuen Saison, und mit dem Auftrag einer Oper über die dänische Ikone der Transgender-Community Lili Elbe an den US-amerikanischen Komponisten, führt die eingeschlagene Richtung auf einen Gipfel, der weit herum wahrgenommen werden dürfte, denn „Lili Elbe“ ergänzt den bunten Spiegel der Menschheitsthemen auf der Opernbühne um eine Facette, die so dezidiert in den Regenbogen leuchtet, wie wohl kaum eine zuvor. Dabei geht es um mehr als einen Beitrag zur Genderfrage . Musikalisch gewichtig und zugänglich strebt sie in der Spiegelung der biografischen Tatsachen nach der mythischer Leuchtkraft, die Oper ausmacht.
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Ein „Ring“ der Sänger und Darsteller
Richard Wagners „Götterdämmerung“ im Opernhaus Zürich 5. November 2023
Es war ein Statement von sichtbarer Konsequenz für den gesamten «Ring des Nibelungen» im Opernhaus, dessen letzter Teil nun eben Premiere hatte – mit grossem Erfolg für alle und einigen negativen Reaktionen, wenn das Regieteam die Bühne betrat. So einfach es klingt, so schwierig war die Aussage «Wir zeigen nicht, was der Riesenwurm unserer Meinung nach bedeutet, sondern wir zeigen den Riesenwurm.» In der «Götterdämmerung» ist nun auch das Seil der Nornen und der Augenblick, da es reisst, ein Ereignis, und auch die Götterburg Walhalla sieht man brennen. Aber wie es gezeigt wird, ist nun durchwegs eher eine Pointe, ein Aperçu, ein Zeichen als eine realistische Schauplatzgeschichte, und der «Ring» des Teams Andreas Homoki und Christian Schmidt hält sich gleichermassen fern von der Disney-Germanistik mit angeklebten Bärten wie vom Schein heutiger Lebenswelt im Milieu der Schönen, Reichen und Gangster.
Wir zeigten nicht, wie uns heute ein Wotan, ein Siegfried, Eine Brünnhilde in Paris, in New York, in Zürich und in der Presse begegnen würde, sondern wir zeigen Wotan, Siegfried und Brünnhilde. So könnte die Variation des erwähnten Statements lauten, die bedeutet, dass die Sänger und Sängerinnen ihre Rolle in der Partitur, in der Atmosphäre von Musik und Wagnersher Sprache finden und aus ihr heraus gestalten können – wie gesagt ohne angeklebte Bärte und germanisches Rüstzeug bis zur letzten Niete. Speer, Schwert, Trinkhorn, Ring und Tarnhelm sind aber durchaus die Requisiten die sich mit bürgerlichem Habitus arrangieren.
Alles in allem kann im Rückblick auf diesen neuen Zürcher «Ring» gesagt werden, dass er eine Inszenierung für Sänger-Darsteller ist, für hochkompetente Sopranistinnen, Tenöre und andere Register, die nebst Stimme den Teufel im Leib haben, der die Bühne beherrscht – und es ist ein «Ring» des musikalischen Geschehens, das nicht szenisch-optisch überfrachtet, sondern von der Szene illuminiert wird und sich famos entfaltet – so suggestiv und brillant, wie Gianandrea Noseda am Dirigentenpult die Energien steuert. Schliesslich kann gesagt werden, dass dieser «Ring», so wie das Wagner-Orchester der Bühne einen durchgehenden Stil vorgibt, die Inszenierung von einer ästhetischen Disziplin bestimmt ist, die Zusammenspiel von Szene und Musik in Balance hält und eine stilistische Einheit über alle vier Teile der Tetralogie begründet, mit it einem Wort, Bühnenkunst feiert.
Was nun die Sicht auf das komplexe Opus summum Wagners, betrifft, so ist davon auszugehen, dass es kein Zeigen ohne Deuten gibt, und selbstverständlich hat auch Andreas Homoki seine Sicht auf das Werk – nur, wie gesagt, hat er die Balance von Musik und Szene im Auge, nicht seine Meinung und nicht Wagners Ideologien voller grossartiger Ansprüche und Widersprüche, seine schillernde Persönlichkeit und Psychopathie, sondern sein Werk, wie es sich auf die Bühne bringen lässt.
Das Resultat einer Lesart des Werks liegt gleichwohl vor und wird eingelöst. Zwei Sätze aus dem Programmheft der «Götterdämmerung» seien zitiert, sie folgen der Beschreibung Siegfrieds als eines «unbedarften» Helden von naivem Vertrauen in eine Welt, von der er keine Ahnung hat, doch «eigentlich scheitert nich Siegfried an der gegenwärtigen Welt, sondern diese scheitert an ihm. Sein Untergang erweist die Nichtswürdigkeit der Verhältnisse … die Musik (der Totenklage) beschreibt die unendliche Trauer über eine Welt, in der alles Gute und Liebevolle immer wieder unter den brutalen Schlägen der Wirklichkeit zusammenbricht.»
Wäre nur nicht die Problematik des Lieben und Guten in diesem «Ring». Die Liebe als der finale Schwung der «Tetralogie» kann im melodisch-elegischen «Erlösungsthema» des Orchesters heraus gehört werden, aber kann es nicht auch als trauerumflorte Grabinschrift für den Helden und als Wehmut über dessen Verlust empfunden werden? Spricht es prospektiv oder retrospektiv? Musikalisches Empfinden ist mit Vorurteil behaftet. Nun sind Selbstmitleid und das, was im Ring als Liebe aufscheint, nicht so weit voneinander entfernt. Die inzestuösen Verhältnisse der Liebespaare sind bedenkenswert, und im Falle von Siegmund und Sieglinde ist Liebe als Selbstbespiegelung offen benannt. «Im Bach erblickt‘ ich mein eigen Bild – und jetzt gewahr ich es wieder: wie einst dem Teich es enttaucht, bietest mein Bild nun du!», singt Sieglinde, und ihre Stimme erinnert Siegmund an die eigen: «Ich hörte sie neulich, als meiner Stimme Schall im mir widerhallte im Wald.»
Wenn das Andere als das Echo des Selbst die Voraussetzung der Liebe ist, ist für die Akzeptanz des Anderen wenig Raum. Dieser Mechanismus liegt dem «Ring» zu Grunde, und es ist schwierig, im revolutionären Impetus Wagners über die Vernichtung des Bestehenden hinaus, das Andere und Neue einer Zukunft am Ende der «Götterdämmerung» zu fassen. Ob der Strohhalm des Erlösungsmotivs kräftig genug ist, um sich an ihm dem Sog in die Tiefe zu entziehen? Der neue Zürcher «Ring» setzt sich dafür ein, und für den Moment dieses grossen Wagner-Abends mochte man es glauben. (hb)
Besprechung „Götterdämmerung hier
„Der Ring“ im Opernhaus Zürich – die Besprechungen in einem Dokument hier
Bild: © Monika Rittershaus
Illusion, Als-ob und Abstraktion
„Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer als Familienoper im Opernhaus Zürich
19. November 2023
Familienoper: Das ist selbstredend ein niederschwelliges Angebot im Reich der zeitgenössischen Oper. Die neue Produktion zeigt aber, dass sie im Stande ist, einen gemachten Stoff wie neu auferstehen zu lassen, damit zu unterhalten und zu berühren, mit Musik und Szene Klein und Gross zu fesseln. Das Opernhaus nimmt die Aufgabe ernst ohne Wenn und Aber. Es gibt ihr Raum auf der grossen Bühne und spart nicht an Einsatz und künstlerischem Potential. Dafür erlebt ein junges Publikum, dass Oper mit nichts zu vergleichen ist, dass auf der Bühne Illusion und Effekt mit dem Als-Ob und der Abstraktion wunderbar einher gehen und vor allem Gesang und Klang die Geschichte vom Ohr direkt ins Herz zu vermitteln vermögen. Mit der Komponistin Elena Kats-Chernin, der Regisseurin Kai Anne Schuhmacher und allen Beteiligten ist dem Opernhaus mustergültig gelungen, was „Familienoper“ ausmacht.
Besprechung im PDF hier
Bild: © Toni Suter
Disney und die Seele Afrikas
„The Lion King“ im Theater 11 Zürich 24. November 2023
Es war offenbar nicht einfach, diesen Löwen nach Zürich zu locken, aber jetzt ist er da und bleibt, bis es Frühling wird. Simba betritt als Löwenjunge im Theater 11 die Bühne und übt sich da im Brüllen, muss vom Vater aus schlimmen Situationen gerettet werden, tritt am Ende aber doch als König der Löwen in die Fussstapfen – man müsste hier von Pranken reden – des Vaters: „The Lion King“ ist in der als Original bezeichneten Tour-Version nach 2015 in Basel zum zweiten Mal in der Schweiz, und wieder begeistert die Show durch ihren unerhört fein ausgearbeiteten szenischen Auftrltt und ihr Musikalität, die aus Pop und Zulu eine Hommage an den Kontinent mach, auf dem die Menschheit ihren Anfang nahm und auf dem sie noch jung ist.
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Bild: © Disney