Die Geschichte zu

Roccosound“













16. 07.2025

Der Hit zum Jubiläum

Giacomo Puccinis „Tosca“ an den St. Galler Festspielen  20. Juni. 2025


Mit einer Inszenierung von Carl Orffs „Carmina Burana“ starteten 2006 die St. Galler Festspiele. Dieses Jahr feiern sie die 20-jährige Existenz auf dem Klosterhof, wo sie ein nicht unbestrittenes Gastrecht geniessen. Inzwischen hat sich dieses Recht auf einen Zweijahresrhythmus reduziert. 2024 gab es das Experiment einer Opernproduktion in den Flumser Bergen, nächstes Jahr bleibt man für „Aida“ schlicht im eigenen Haus. Das eigene Archiv zeigt, dass 19 Inszenierungen einer faszinierenden Opernwelt zu erleben waren – nur 2020 fiel wegen der Pandemie aus. Zumeist wurden nicht zentrale Werke des Repertoires  präsentiert, sondern im Gegenteil zum Teil ausgesprochene Raritäten. Wo schon hat man Donizettis „Diluvio universale“ aufgeführt gesehen oder Puccinis „Edgar“, Franz Schmidts „Notre Dame“ oder Alfredo Catalanis „Loreley“. Auch Verdis frühe Opern gehören nicht zum Kern der Opernspielpläne, und nur gerade „Il Trovatore“ (2019) ist ein Gegenbeispiel.


Man darf aus dem Rückblick den Schluss ziehen, dass die St. Galler Festspiele in der Opernlandschaft mit einer besonderen Ambition und offensichtlichem mit anhaltendem Erfolg hervorragen. Dass sie sich zum Jubiläum einen der grössten Opern-Hits gönnen, ist somit reichlich verdient, und  ein Geschenk ans Publikum ist diese „Tosca“ auch. St. Gallen hat Chor und Orchester, die mit diesem Stück brillieren, es hat den Draht zu den starken Sängerpersönlichkeiten, die es für Puccinis Meisterwerk braucht, und es hat das Ambiente des Klosterhofs, dem es seit 20 Jahren mit seinen Produktionen alle Ehre macht. Die Kirche als Institution mag dabei, das liegt an der Eigenart der künstlerischen Welten, nicht immer mit Glanz und Gloria wegkommen, aber ins beste Licht rücken immer die mächtigen Türme und die monumentale barocke Front der Kathedrale.


Besprechung der Aufführung hier im PDF

Die Artikel zu den Festspielen 2006–2025 PDF

Bild: ©  Xiomara Bender

Zum Abschied von Andreas Homoki

Konzert und Festreden im Opernhaus Zürich  13.   Juli 2025


Was macht die gute Intendanz und mit ihr die gute Opernaufführung aus? Die Ansprachen und die Festrede im Abschiedskonzert der Philharmonia Zürich gaben Antworten: Die Begegnung mit den Mitarbeitenden, von denen niemand unwichtig ist, auf Augenhöhe, und der Blick auf das Ganze, was Kunst, Publikum und Betrieb miteinander zu tun haben.


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Die Kritiken zu Homokis Zürcher Inszenierungen 2012–2025 im PDF

Bild: ©   Gabriela Büttiker

„Œdipe“ – eine grosse Oper des 20. Jahrhunderts

Eröffnung der Bregenzer Festspiele im Haus 16. Juli


Es ist nicht die erste Gelegenheit, das einzige Bühnenwerk des grossen Rumänischen Geigers und Komponisten George Enescu zu erleben, aber die Gelegenheit ist relativ nahe: Die Bregenzer Festspiele sind im Haus mit dessen „Œdipe“ nach den Tragödien des Sophokles eröffnet worden. Mit grossem Aufwand für Musik und Szene, aber auch präziser Dramatik ist eine aussergewöhnliche Opernerfahrung zu machen. Dies noch in zwei Aufführungen am 20. und 28. Juli.


Auf der Seebühne läuft im zweiten Jahr Carl Maria von Webers „Freischütz“ in einer bildstarken winterlichen Inszenierung,  die am Ende, anders als der Komponist es einrichtete, den Teufel triumphieren lässt.


Zu George Enescus „Œdipe“ PDF


Kritik zum Bregenzer „Freischütz“ 2024 und ein Beitrag zu seiner Inszenierungsgeschichte.

Bild: ©   Christoph Ammon

„Peter Grimes“ – Offenbarungen des Menschlichen

Luzerner Theater  6. September 2025


Die Opernsaison 2025/26 in der Schweiz hat einen ersten Höhepunkt gleich zu Beginn: Im Theater Luzern ist eine glänzende musikalische Gesamtleistung zu erleben, ein starkes Protagonistenteam lotet die Geschichte um den als Mörder verschrieenen Fischer Peter Grimes aus, ein grosses Ensemble zeichnet ein buntes Figurenspiel, der Chor realisiert in seiner Klangpräsenz die finstere Macht des Mobs, und einen fulminanten Auftritt bietet auch das Luzerner Sinfonieorchester mit Musikdirektor Jonathan Bloxham am Dirigentenpult.


Besprechung im PDF


Zur Erinnerung

aus dem Archiv:

“Peter Grimes“ 1989

im Luzerner Theater

Saisoneröffnung beim Musikkollegium Winterthur

Abonnementskonzert 12. September 2025


Zurück zum Ursprung, aber auch schwungvoll ins musikantische Treiben zieht das Programm des Abonnementskonzerts, das die Saison des Musikkollegiums Winterthur eröffnet. Es wird noch zweimal gespielt, am Donnerstag und am Freitag, und es ist ein roter Teppich in die Herbstsaison des Konzertlebens – nicht nur für die Stadt, sondern für die Ausstrahlung in die Welt. Dafür steht der Name Joyce DiDonato im Zentrum des Abends mit einem Werk, das die grosse Mezzosopranistin zur bewegenden Botschaft macht.

Komponiert hat "Another Eve" die für ihre Filmmusik vielfach ausgezeichnete englische Komponistin Rachel Portman – ein Liederzyklus, uraufgeführt 2024, der im hervorragenden Sinn zeitgenössisch ist. Zeitgenössisch nicht im Sinne avancierter klanglicher Experimente, sondern als Besinnung in einer konfusen Gegenwart auf die Ursprünge des Daseins, auf "The first Morning of the World" – so der Titel des ersten Lieds. Die andere Eva weiss aber um die Verlorenheit der Welt und was als Hoffnung bleibt. Die Musik berührt in der schlichten Ausdrucksweite und in der Verbindung von vollendeter Gesangskunst und inniger Identifikation der Interpretin.

Den nachdenklichen Beitrag umfasst das Konzertprogramm mit den launigsten Kontrasten, die sich denken lassen, der Mischung aus ursprünglicher Musikantik und hoch gezüchteter Orchestervirtuosität, für die sich das Orchester mit aller Verve einsetzt. Am Dirigentenpult sorgt Roberto Gonzalez-Monjas dafür, dass die Pointen sitzen und die Ohrwürmer tanzen. Wer Francis Poulencs Sinfonietta nicht schon auswendig kennt, ist Takt für Takt überrascht von der Unverschämtheit der Effekte, dem träumerischen Zauber, der Mischung aus Schalk und entwaffnendem Sentiment. Wolfgang Korngolds "Straussiana" sind dann gleichsam noch die Zugabe – Musizierglück wie ein Konzentrat von Neujahrskonzert im September.


Bild: ©   Herbert Büttiker

Romeo oder Romea und Julia im Wilden Westen

Bellinis „I Capuleti e i Montecchi“ im Theater St. Gallen  13. September 2025


Die Partie des Romeo in der 1830 in Venedig uraufgeführten Oper hat Bellini für die Mezzosopranistin Giuditta Grisi geschrieben, für die Regisseurin Pinar Karabulut die Steilvorlage um sich mit Genderfragen oder Geschlechterklischees an die Belcanto-Oper zu machen. Ihre Bühne zeigt ein lesbisches Paar beim Liebesspiel, eine Frau, die sich Männerattitüden aneignet, um die Geliebte einem Banditenführer im Wilden Westen zu entreissen. So bewegend und stringent Bellinis Musik das Drama um die Familienfehde in einer patriarchalischen Welt  musikalisch illuminiert, so gesucht und assoziativ disparat wird sie von der Szene kommentiert.


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Bild: ©   Edyta Dufaj

Die Komödie in Blau, Gelb und Rot

„Der Rosenkavalier“ im Opernhaus Zürich     21. September 2025



Oper ist von allem zuviel, ist so ein Spruch des neuen Zürcher Intendanten. Dass er seinen Einstand mit dem «Rosenkavalier» gibt, ist da nur logisch. Das  Rollenverzeichnis des opulenten Dreiakters ist rekordverdächtig lang, der Kostümaufwand entsprechend, die Orchesterarbeit ausufernd, und dies alles hat sich an der Premiere handwerklich meisterhaft präsentiert. Was Konzept und Ausstattung betrifft, war nicht nur ein Handwerker, sondern sogar ein Künstler am Werk. Die Regisseurin Lydia Steier wollte die Arbeit des Wiener Künstler Gottfried Helnwein von 2005 für Los Angeles wiederbeleben. Warum, versteht sich, wenn man die drei farbigen, aber nicht bunten Akte gesehen hat. Besonders geglückt  ist zumal das Bühnenbild im zweiten Akt mit dem luftigen Treppenbau auf der sich das rosensilberne Liebeswunder abspielt (ins Bett geht‘s später im dritten Akt).


Die Kostüme evozieren das Traum-Rokoko von Hugo von Hofmannsthal auch ins märchenhaft Phantastische übersteigert und  haben nur den Nachteil, dass sie zum Teil erst im Licht des Applaus-Defilees so richtig zur Geltung kommen. Auch musikalisch erweist sich der Abend im Komödienbetrieb unter der Leitung von Joana Mallwitz als fordernd, vom Orchester unübertrefflich eingelöst in der Einleitung des dritten Aktes, sonst aber nicht immer zum Vorteil für Hofmannsthals Sprachkunst. Diese bekommt Raum mit den grossen lyrischen Szenen, die mit Diana Damrau (Marschallin), Angela Brower (Octavian) und Emily Pogorelc (Sophie) klangschön blühen. Die Oper findet mit ihnen im Schlussterzett und -duett zwischen der Melancholie der Hinfälligkeit und dem entrückten Zauber des Anfangs die Balance, die in der Endzeitstimmung vor dem ersten Weltkrieg ein epochales Phänomen war. Die Stimmung ist uns heute  fremd, eine spezifische Aktualität in dieser Hinsicht vermittelt die Aufführung jedoch nicht. Eher sind Opulenz und ästhetisches Vergnügen, auch wenn sie im dritten Akt auf Helnweins ja eigentlich unbequeme Kunst verweisen und der übergriffige Ochs (Günther Groissböck) am Pranger steht, die Quintessenz des Abends.


Besprechungen der Aufführung im Tagblatt der Stadt Zürich und bei:

                     

www.oper-magazin.de





 

Bild: ©   Matthias Baus

Eine Konzertreihe mit Mut

Luisa Splett mit Freunden in Winterthur  28. September 2025


Miteinander, Unidas, Together steht auf der Einladung zur neuen Konzertreihe «Mut»: Die Pianistin Luisa Splett beherrscht auch die Klaviatur der Programmgestaltung. Sie hat sich hervorragende Partnerschaften gesichert, und sie bringt Paris, Berlin, London und Rio de Janeiro mit Winterthur zusammen. Werke von Hermann Goetz, Ethel Smyth und neue Musik von Alfred Felder und Sandra Goldberg standen auf dem Programm des Winterthur gewidmeten Abends. 


Bericht im PDF

Bild: ©   Herbert Büttiker

Sterben und zurückbleiben

„La Bohème“ von Giacomo Puccini im Theater St. Gallen  18. Oktober 2025 


Im Café Momus fahren einzelne Stühle in die Höhe, die beiden Liebespaare schweben über der Menge: In der St. Galler «Bohème» bleibt Puccinis poetischer Realismus bildschön abstrahiert und vage, das Protagonistenteam aber lebt die «vita gaia e terribile» berührend konkret. Das Orchester begleitet und vergrössert dessen Emotionalität klangsensibel und mit grosser Emphase unter der Leitung des bis Ende dieser Saison noch Chefdirigenten Modestas Pitrenas. Das St. Galler Publikum feiert Mimì (Silvia d’Eramo), Rodolfo (Brian Michaele Moore) und das ganze Ensemble zurecht. Glänzend setzt sich Kali Hartwick als Musette in Szene. Die Regisseurin Guta Rau akzentuiert mit Rücksicht auf das Libretto zurückhaltend bis überdeutlich: weibliche Souveränität bei Musette, den Karriereweg der Bohémiens. Mimì stirbt in der Galerie, in der Marcellos Malerei gefeiert wird, und Rodolfo beginnt mit dem Entsetzen über ihren Tod sogleich an seinem «Bohème»-Roman zu schreiben. Mimì ist schon durch das Retro-Kostüm dazu bestimmt, in der Rolle ihres ersten Auftritts zu verharren, und um so trister stirbt sie in der falschen mondänen Umgebung. 


Bericht  exklusiv bei:




www.oper-magazin.de

 

Bild: ©  Ludwig Ohla   

Kriegsspiele in der Schweiz

„La forza del destino“ von Giuseppe Verdi im Opernhaus Zürich  2. November 2025


Das Opernhaus Zürich setzt Verdis "La forza del destino" als Kriegsoper in Szene. Das Unerhörte geschieht: Krieg in der Schweiz. Der Hauptsitz der  Zürich Versicherung, das WEF in Davos, der Palais des Nations in Genf haben auf Kosten der Regisseurin Valentina Carrasco Treffer abbekommen. Während mit Anna Netrebko auf der Bühne der Ukraine-Krieg nicht aus dem Kopf zu bringen ist, wirkt das Krieg Spielen im Opernhaus forciert, je drastischer,  umso aufgesetzter Doch Leonora ist mit Pistole und Sturmgewehr zur Hand mehr Diva an der Rampe als Verdis Figur, die in der Einsiedelei den Seelenfrieden erhofft. Die grosse Stimme und auch Feinheiten ihrer musikalischen Gestaltung sind am Abend nur schwer zu topen.  George Petean (Don Carlo di Vargas), Yusif Eyvazov (Don Alvaro) steigern sich aber in den Duetten und fügen sich in ihrem militärischen Outfit zuletzt überzeugender ins Konzept, das mit grossem Aufwand an Personal, Kostüm und Kulisse  Verdis musikalischer Comédie humaine wenig abgewinnt. Diesbezüglich ist mit Chor und Orchester und dem Dirigenten Gianandrea Noseda alles à point.  Ein glänzendes Kabinettstück bietet Roberto Frontali mit der Kapuzinerpredigt des Fra Melitone), der hier für die Gassenküche der Flüchtlinge zuständig ist. Für Netrebko gibt es frenetischen Applaus, das inszenierungsteam kommt weniger gut weg.


Bericht  im Tagblatt der Stadt Zürich und bei:



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Bild: ©  Monika Rittershaus

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Kritik Opernhaus Zürich 27. Mai 2018 PDF
Aus Rezensionen:: 1991 bis 2018 PDF